Auch Gletscher tragen Make-up - sagt der amerikanische Glaziologe Robert Sharp vom Caltech, dem Institut für Technologie in Pasadena/Kalifornien. Er meint damit die markanten dunklen Streifen oder auch Zickzackmuster aus Gesteinsschutt, die vor allem die Eismassen von Hochgebirgsgletschern prägen.
Wie die Streifenmuster entstehen, zeigt sich besonders gut auf der mächtigen Eiszunge des Barnard-Gletschers im Elias-Gebirge in Alaska. Jeder Eisstrom, der von der Seite her in das Tal des Barnard-Gletschers mündet, verbreitert den Hauptstrom – und der Schutt an Rändern der Zuströme, die Seitenmoränen, werden im Hauptstrom dann zu Mittelmoränen.
Markant geschwungene Mittelmoränen befördert auch die größte Eismasse der Alpen, der 22 Kilometer lange Aletschgletscher auf seinem Rücken zu Tal.
Wie die Mittelmoränen des Aletsch entstehen, kann man ganz oben auf dem Gletscher unterhalb der prominenten, über 4000 Meter hohen Berggipfel von Jungfrau und Mönch sehen. Dort vereinigen sich drei große, relativ flache Eisfelder zu einem gigantischen Eisplateau, den Konkordiaplatz.
Der Schutt, der von den eisfreien Bergrücken auf die Ränder der drei großen Eisfelder stürzt, sammelt sich in sogenannten Seitenmoränen. Dieser seitliche Moränenschutt wird vom Eis, während es das Tal hinunter fließt, ständig mitgezogen. So bilden sich Bänder aus Gesteinstrümmern in der Mitte der gewaltigen Eiszunge des Aletschgletschers - aus den Seiten- werden Mittelmoränen.
Das Eis schiebt sich dort am Konkordiaplatz mit einer Geschwindigkeit von knapp 200 Metern pro Jahr talwärts, das ist umgerechnet ein halber Meter pro Tag!
Am Ende der Eiszunge, wo sich der Gletscher in die Massa-Schlucht drängt und das Eis schmilzt, wird der Schutt so stark zusammen geschoben, dass das Gletschereis darunter kaum mehr zu sehen ist.
Auch der Aletschgletscher leidet, wie die meisten Gebirgsgletscher auf der Erde, unter dem Klimawandel. Sein Eis sinkt an seiner dicksten Stelle, am Konkordiaplatz, pro Jahr um etwa einen Meter ein, und sein Zungenende zieht sich pro Jahr durchschnittlich um 23 Meter zurück. Seit 1860 hat er etwa vier Kilometer an Länge eingebüßt. Welchen Einfluss dabei der Schutt auf seiner Eiszunge hat, ist (noch) nicht bekannt.
Nicht nur Streifen aus Moränenschutt, sondern einzigartige Zickzackmuster prägen die Oberfläche des Malaspina-Gletschers in Alaska. Dieser Gletscher breitet sich wie ein riesiger kalter Pfannkuchen auf der Küstenebene zwischen dem mehr als 5000 Meter hohen St. Eliasgebirge und dem Pazifik aus. Er ist der größte Vorlandgletscher der Erde. Seine Fläche ist mit 3000 Quadratkilometern größer als das Saarland (2570 Quadratkilometer)!
In ihm vereinigen sich 25 Gletscherzungen, die aus dem Gebirge heraus fließen. Sie tragen an ihrem Ursprungsort in den Bergtälern fast alle gerade verlaufende oder geschwungene Mittel- und Seitenmoränen auf ihren Rücken.
Sobald sie jedoch ins Vorland gleiten, geraten sie mit den anderen Gletscherzungen aneinander, die – je nach Nachschub aus dem Gebirge - alle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorwärts kriechen. Nun schieben sich die Gletscherzungen entweder „friedlich“ nebeneinander vorwärts. Sie können sich aber auch in ihrem Fluss behindern oder auf Hindernisse im Untergrund stoßen. Dadurch werden sie abgebremst.
Das Resultat: Die langgestreckten, ursprünglich geraden Moränenzüge schieben sich zusammen, bilden Bögen und sogar Zickzack-Linien. Ein wildes Muster entsteht, während sich der gigantische Eiskuchen weiter Richtung Küste schiebt und dort an der Front allmählich zerfällt und schmilzt. Der Schutt bleibt liegen, oder wird vom Schmelzwasser ins Meer gespült.
Übrigens: Der Geologe Dirk Scherler vom Geoforschungszentrum in Potsdam erfasst derzeit gerade zusammen mit Schweizer Kollegen die Schuttbedeckung von Hochgebirgsgletschern weltweit anhand von Satellitenbildern. Denn bereits eine zehn Zentimeter dicke Schuttschicht bewahrt das Gletschereis vor dem Schmelzen – und beeinflusst auf diese Weise den klimabedingten Rückzug der Eisriesen. Die Erkenntnisse aus diesen Forschungen sollen helfen, den klimabedingten Gletscherrückzug besser zu bemessen.
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